Coronakrise und kalte Jahreszeit – große Herausforderungen für die Wohnungslosenhilfe

Angesichts der anhaltenden Pandemie sowie der bevorstehenden Wintermonate setzt sich die Diakonie Schleswig-Holstein für zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten für Wohnungslose ein. Außerdem sollten die Tagestreffs so ausgestattet werden, dass trotz erhöhten Hygieneauflagen wieder mehr Hilfesuchende die Angebote wahrnehmen können. Aus Anlass des morgigen Tages der Wohnungslosen wollen Vertreter aus Politik und Diakonie bei einem landesweiten, digitalen Fachtag über die aktuelle Situation von wohnungslosen Menschen und der Wohnungslosenhilfe beraten.

„Wohnungslose sind von der Coronakrise besonders stark betroffen“, sagt Diakonie-Vorstand und Landespastor Heiko Naß. „Sie können bei einem Shutdown nicht zu Hause bleiben und die Hygieneregeln kaum einhalten, weil sie keinen uneingeschränkten Zugang zu Sanitäranlagen haben. Dabei sind sie oftmals gesundheitlich vorbelastet und besonders gefährdet. Im Winter dürfte sich die Situation weiter verschärfen. Wir sollten daher gemeinsam mit den Kommunen dringend zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten schaffen und die Tagestreffs unter Wahrung der Hygieneauflagen wieder vollständig öffnen, damit Menschen in den kommenden Monaten nicht auf der Straße leben und übernachten müssen.“

Der Shutdown im Frühjahr sowie die erhöhten Hygieneauflagen haben die diakonische Wohnungslosenhilfe vor große Herausforderungen gestellt. Tagestreffs konnten nicht oder nur eingeschränkt arbeiten, die Notunterkünfte keine neuen Bewohnerinnen und Bewohner aufnehmen. Auch die Beratungen fanden unter erschwerten Bedingungen statt. Hinzu kam, dass die Mitarbeitenden zunächst nur mangelhaft mit Schutzkleidung und Atemmasken ausgerüstet waren.

Um dennoch die Hilfs- und Beratungsangebote aufrecht erhalten zu können, entwickelte die Diakonie gemeinsam mit zahlreichen Kommunen kurzfristige und unbürokratische Lösungen: In Kiel wurden mehr wohnungslose Menschen in Hotels untergebracht, in Lübeck in zusätzlichen Containern und in Norderstedt in der Alten Feuerwache. Die Tagestreffs versuchten, trotz sehr strenger Auflagen schrittweise ihre Räume wieder zu öffnen, damit Betroffene sich ausruhen, duschen oder ihre Wäsche waschen konnten.

In zahlreichen Städten wurden teils ehrenamtliche und spendenfinanzierte Projekte ins Leben gerufen, um Wohnungslose mit warmen Mahlzeiten sowie Lebensmitteln zu versorgen. Beratungen der ambulanten Wohnungslosenhilfe fanden in Parks, am Fenster oder über den Zaun statt. Inzwischen sind aber auch Face-to-Face-Beratungen nach Terminvergabe wieder möglich. Das Diakonische Werk Schleswig-Holstein unterstützte die Einrichtungen bei der Beschaffung von Schutzausrüstung.

„Während der Coronakrise haben wir gemeinsam mit den Kommunen wertvolle Erfahrungen gesammelt, auf die wir künftig bei der Weiterentwicklung der ambulanten Wohnungslosenhilfe zurückgreifen können“, betont Doris Kratz-Hinrichsen, Teamleiterin im Bereich Wohnungslosenhilfe beim Diakonischen Werk Schleswig-Holstein.

Derweil geht die Diakonie Schleswig-Holstein davon aus, dass die Zahl der von Wohnungslosigkeit bedrohten oder betroffenen Menschen in diesem Jahr erneut ansteigt. „Durch die Coronakrise hat sich die soziale Schere weiter geöffnet“, so Diakonie-Vorstand und Landespastor Heiko Naß. „Kurzarbeit und zunehmende Arbeitslosigkeit bringen ohnehin benachteiligte Menschen in Bedrängnis. Hinzu kommt, dass wohnungslose Menschen, die bislang bei Verwandten oder Bekannten untergekommen waren, aus Angst vor einem erhöhten Infektionsrisiko auf die Straße verdrängt werden.“ Im Jahr 2019 nahmen 7.881 Menschen die Angebote der diakonischen Wohnungslosenhilfe in Anspruch, weil sie von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen waren.

Vor diesem Hintergrund fordert die Diakonie, die provisorisch geschaffenen Unterbringungsmöglichkeiten in den kommenden Monaten offen zu halten und zusätzliche zu schaffen. Außerdem sollten Tagestreffs und Beratungsstellen so ausgestattet werden, dass eine Betreuung von Wohnungslosen auch während eines erneuten Shutdowns möglich ist.

Bei dem digitalen Fachtag wollen sich Mitarbeitende von Einrichtungen und Trägern sowie Vertreter der Landespolitik über neue Hilfsangebote und positive Praxisbeispiele informieren. Vorgestellt werden u.a. die Projekte „Sattmission“ aus Kiel, „Alternative Container“ aus Lübeck sowie „Rollende Hilfe trotz(t) Corona“ aus Husum. Dabei geht es auch darum, wie aus Lösungen, die kurzfristig während der Coronakrise entstanden sind, langfristige Projekte entwickelt werden können.