Kitas brauchen in Pandemiezeiten Rückendeckung

Über 120.000 Kinder gehen in Schleswig-Holsteins Kitas, über 26.000 Fachkräfte werden im Kita-Bereich beschäftigt. Diesen Bereich bei der Pandemie-Bekämpfung nachlässig zu behandeln, ist grob fahrlässig! Ein Umdenken in Politik und Gesellschaft ist dringend erforderlich. Ein ständiges Wiederholen des Satzes „Kitas bleiben geöffnet“ kann aus Sicht der Wohlfahrtsverbände nicht die einzige politische Botschaft in diesen Tagen sein und verschließt den Blick auf große, sich zuspitzende Herausforderungen im Kita-Betrieb während der Corona-Pandemie.

Der Betrieb einer Kita in Pandemiezeiten ist und bleibt ein Drahtseilakt. In dieser Situation die Balance zwischen Gesundheitsschutz der Beschäftigten einerseits und Bildung, Erziehung und ausreichender Betreuungszeiten andererseits zu halten, ist herausfordernd für alle Beteiligten und erfordert eine gemeinsame Verantwortung. Lange Zeit haben Fachkräfte, Leitungen, Träger und Verbände versucht, die bestmögliche Be-treuung zu gewährleisten, sich auf neue Regelungen einzustellen und den Regelbetrieb so gut es geht am Laufen zu halten. Die Kitas brauchen aber Rückendeckung und Absicherung, sodass das Gleichgewicht nicht verloren geht. Von der Politik auf Landesebene und der verantwortlichen Politik auf Kreis- und Ortsebene, die umsichtig auf die dynamische Situation reagieren müssen. Von Eltern, die ein berechtigtes Interesse an guter Kindertagesbetreuung und frühkindlicher Bildung haben.


Täglich erreichen uns Nachrichten aus Kitas und von Kita-Trägern, die klare Regelungen seitens des Landes fordern, von überlasteten und schwer erreichbaren Gesundheits-ämtern berichten und sich Handlungssicherheit im Alltag wünschen. Vielerorts ist die Lage ernst. Gruppen und Einrichtungen müssen kurzfristig schließen, weil es Corona-Infektionen bei Mitarbeitenden, Kindern oder Kontaktpersonen gibt.

 

Fachpersonal aus Risikogruppen kann nicht in der direkten Arbeit mit den Kindern eingesetzt werden, weiteres Personal soll möglichst nicht gruppenübergreifend eingesetzt werden, wodurch sich der akute Mangel an Fachkräften verschärft – die empfohlene Kohorten-Bildung wird zusätzlich erschwert. Leitungskräfte und Träger sind gleichermaßen zerrissen zwischen den Bedürfnissen der Kinder, den Anforderungen der Eltern an Pädagogik und Betreuung, den Empfehlungen des Landes und der Fürsorgepflicht für alle Mitarbeitenden. In dieser Gemengelage sind Konflikte vorprogrammiert: Können Elternbeiträge rückerstattet werden für die Zeit einer angeordneten Kita-Schließung? Kann der Regelbetrieb flexibler gestaltet werden, um mit der dünnen Personaldecke den Wünschen vieler Familien entgegenzukommen? Wer schützt die Mitarbeitenden vor Infektionen, während weite Teile der Bevölkerung bewusst auf Kontakte verzichten müssen?


Ja, die Teams in den Einrichtungen vor Ort wollen arbeiten. Sie wollen für die Kinder und Familien da sein. Sie arbeiten engagiert, flexibel, haben die Kinder und Familien im Blick. Sie bemühen sich um eine hohe pädagogische Qualität. Sie wollen aber auch gesund bleiben, rechtssicher handeln und für gute Pädagogik stehen. Ein Rückschritt in Zeiten, wo Kindern nur wenig Selbstbestimmung und Beteiligung beigemessen wurde, halten wir für nicht vertretbar. Viele meistern den Alltag mit hoher Kreativität, Engagement und Verantwortungsbewusstsein. Dafür braucht es mehr als warme Worte. Es braucht Unterstützung, eine klare Perspektive und eine erkennbare Strategie.


Wo bleibt eigentlich eine breit angelegte und nachvollziehbare Test-Strategie für Erzieherinnen und Erzieher? Wo ist der Plan, der eine Solidarisierung mit der Kindertagesbetreuung ermöglicht, aber nicht nur heißt „Kitas bleiben auf“? Das genügt nicht. Es muss gelingen, dass der Kita-Betrieb, die Interessen aller Beteiligten widerspiegelt. Dafür erwarten wir konkrete Vorschläge aus der Politik. Die freien Wohlfahrtsverbände in Schleswig-Holstein sind sich ihrer Verantwortung im Kampf gegen die Pandemie und deren Folgen bewusst, doch ein Regelbetrieb um jeden Preis ist unrealistisch – ein „Normalbetrieb“ unter den Bedingungen nicht vorstellbar.


Wir erwarten ein deutliches Signal, dass die Kitas nicht mit dieser Jahrhundert-Herausforderung allein gelassen werden. Rückendeckung auf allen Ebenen bedeutet, dass so-wohl die Landespolitik, die Kommunen und die Familien die Herausforderungen im Kita-Alltag ernstnehmen. Wir werden uns weiterhin der Verantwortung stellen und uns für gute Lösungen einsetzen, sodass frühkindliche Bildung auch in Pandemiezeiten weiterhin möglich ist.

 

Deshalb fordern wir:


• ein klares Bekenntnis von der Politik auf allen Ebenen, dass die Fachkräfte in den Kitas gesehen, gewürdigt und geschützt werden müssen.

• eine klare Strategie und Perspektive für die Kindertagesbetreuung in der Pandemie.

• zusätzliche Finanzressourcen und Maßnahmen, um Personalausfälle zu kompensieren.

• bessere Erreichbarkeit der öffentlichen Gesundheitsdienste, die für die Kitas da sind.