Ich sehe was, das du nicht siehst - erkennbar diakonisch handeln

Das diakonische Profil gleicht manchmal einem Vexierbild: Je angestrengter man versucht, ein bestimmtes Motiv wahrzunehmen, desto schwieriger ist es zu fassen. Erst eine entspannte Unschärfe hilft beim Erkennen.

Der erste Schritt zur Entspannung: „Das diakonische Profil“ kann es nicht geben. Rund 230 Mitglieder hat das Diakonische Werk Schleswig-Holstein - große Komplexträger mit tausenden Mitarbeitenden, kleine Initiativen, Einrichtungen, die teilweise aus missionarischen Bewegungen hervorgegangen oder in der Boomzeit des sozialen Marktes in den letzten 20 Jahren entstanden sind. Jede Organisation kann nur für sich die Frage stellen: „Was bedeutet Diakonie hier und für uns?“

„Warum machen wir das hier? Was ist dabei unser diakonischer Auftrag?“

Kneift man ein Auge zu, erscheint das Handeln der Leitungsebene. Leitungskräfte prägen durch ihre Entscheidungen und ihr Handeln die Kultur. Sie müssen im Zweifelsfall die Frage beantworten können „Warum machen wir das hier? Was ist dabei unser diakonischer Auftrag?“

Sie schaffen im besten Fall Spielräume für Reflexion und Rituale. Das ist gut investierte Zeit: Verlässliche Zeit für das Nachdenken über das eigene Tun und die Einordnung in Sinnzusammenhänge stärkt die Gemeinschaft und die Professionalität. Das geschieht zum Beispiel in Andachten, Ethik-Cafés zu konkreten Fragen aus dem Arbeitsalltag oder speziellen Basiskursen für Führungskräfte.

Sie ist beim Landesverband zuständig für die Themen Diakonische Identität und Ethik: Diakonin Christine Noack. Daneben unterstützt sie das Team der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in besonderen Missionen.

 

Kneift man das andere Auge zu, sind die Mitarbeitenden zu sehen. Leidenschaftliche Pfleger oder engagierte Werkstattleiterinnen sollten sie sein, das ist klar. Aber daneben ist in der Diakonie auch die Neugier auf Gott eine fachliche Kompetenz. Die Mitarbeiterschaft ist vielfältig in ihrer religiösen Prägung oder auch Indifferenz. Das bedeutet für diakonische Arbeitgeber, dass sie Formen für eine Auseinandersetzung finden und aushalten müssen, in der scheinbar Selbstverständliches hinterfragt wird. Nur so kann man letztlich gemeinsame Sache machen.

Wie gehen wir mit eigenen Schwächen und Unsicherheiten um?

Anknüpfungspunkte für ein gemeinsames Nachdenken gibt es genug, und viele nutzen die theologisch unterfütterte Reflexion als Kraftquelle für ihr berufliches Tun: Wie gestalten wir Aussegnungs- und Abschiedsrituale, wenn Klienten oder Patientinnen sterben? Welche Rolle spielt die Frage nach Schuld und Vergebung in der psychologischen Beratung? Wie gehen wir mit eigenen Schwächen und Unsicherheiten um?

Reißt man die Augen auf, wird klar, dass die Nutzerinnen und Nutzer der Gratmesser diakonischen Handelns sind. „Was willst du, dass ich für dich tun soll?“, fragt Jesus den blinden Bettler Bartimäus. Bis heute ein Handlungsleitfaden für gute soziale Arbeit, die das Gegenüber zum Maßstab nimmt und dabei die eigenen Begrenzungen nicht vergisst.

Täglich setzen diakonische Fachkräfte Spritzen, schenken in Tagestreffs Kaffee aus oder füllen Anträge auf Leistungen aus. Deutlich seltener werden sie in diesem Moment von Patienten, Besucherinnen oder Klienten danach gefragt, welchen Sinn dieses Leben überhaupt noch hat oder wie man bei so viel Ungerechtigkeit auf der Welt an einen Gott glauben kann. Kommt aber vor, gerade wenn ein Kronenkreuz an der Tür hängt. Und dann sollten die Fragenden auf jemanden treffen, der mehr als ein Bild zu sehen in der Lage ist.

Drei Blickwinkel, die ein Ganzes ergeben. Der Witz an einem Vexierbild ist übrigens, dass man ein Bild, das man einmal erkannt hat, nicht wieder ausblenden kann.