Schuldenreport 2020: Kinder von Alleinerziehenden trifft die Corona-Krise besonders hart

Alleinerziehende, Single-Haushalte und Menschen ohne Bildungsabschluss haben ein erhöhtes Risiko, in Überschuldung zu geraten. Besonders leiden Kinder unter der Situation. Das sind zentrale Ergebnisse des aktuellen Schuldenreports der Koordinierungsstelle Schuldnerberatung in Schleswig-Holstein. Dafür wurde die Überschuldungsstatistik des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2019 ausgewertet.

Kinder und Jugendliche sind von Überschuldung und Armut besonders hart betroffen. In einem Drittel der von Überschuldung betroffenen Haushalte leben Kinder. „Wir reden hier von Armut von Kindern, die nicht nur ihre Wohnsituation und den Gesundheitszustand sowie die Bildungs- und soziokulturellen Teilhabemöglichkeiten einschränkt, sondern auch schlechtere Chancen im späteren Erwerbsleben begründen kann. Kinder haben das Recht auf eine von Schuldenproblemen unbelastete Kindheit und Jugend sowie gute Startbedingungen für ihre Zukunft“, fordert die Leiterin der Koordinierungsstelle, Alis Rohlf.

Die Corona-Pandemie verschärft diese Probleme noch weiter. Gerade von Armut betroffene Eltern sind häufig prekär beschäftigt oder arbeiten im Niedriglohnbereich. Sie arbeiten häufiger in Teilzeit oder als Minijobber und gehören deswegen zu der Gruppe, die als erste ihre Jobs verlieren oder nur vergleichsweise wenig beziehungsweise gar kein Kurzarbeitergeld erhalten. Homeoffice ist in diesem Sektor seltener möglich, zudem fehlen den Familien finanzielle Rücklagen. Sie bleiben weitgehend auf sich alleine gestellt, wenn soziale Einrichtungen geschlossen sind. Damit verstärkt die Krise strukturelle Benachteiligungen und trifft vor allem die Schwächsten. Vor diesem Hintergrund erwartet die Schuldnerberatung in Schleswig-Holstein einen erhöhten Beratungsbedarf in den kommenden Wochen und Monaten.

Die Mehrfachbelastung alleinerziehender Mütter und Väter birgt ein erhöhtes Risiko, in Überschuldung zu geraten. Die Sorge für die Kinder und die Sicherstellung des Lebensunterhalts der Familie ist ein Spagat, der für viele Familien kaum zu leisten ist. „Alleinerziehend zu sein ist ein Überschuldungsrisiko und damit ein Armutsrisiko“, sagt Alis Rohlf.

Die Gründe: Arbeitslosigkeit und der damit verbundene Einkommensverlust stellen mit 19 % den häufigsten Auslöser dar. Erkrankung, Sucht oder Unfall ist mittlerweile der zweithäufigste Überschuldungsauslöser, der mit 17 % einen neuen Höchststand erreicht hat. Trennung/Scheidung vom Partner ist für 13 % der Ratsuchenden der Auslöser ihrer Überschuldung, besonders Frauen sind nach einer Trennung/Scheidung von länger andauernden Armutsrisiken betroffen. Längerfristiges Niedrigeinkommen ist für knapp 7 % der Hauptauslöser für ihre Überschuldung.  „Ein aktuelles Beispiel dafür, wie ein Ereignis von außen die Situation vieler Menschen ohne ihr Zutun verschärfen kann, ist die Corona-Pandemie. Sie hat nicht nur ökonomische Auswirkungen, sondern wirkt bis in die Familie und Partnerschaft hinein“, so die Leiterin der Koordinierungsstelle weiter.

Über die Hälfte der Ratsuchenden lebt in Single-Haushalten. Dieser Wert liegt deutlich über dem Anteil von Ein-Personen-Haushalten an allen Privathaushalten in Schleswig-Holstein. Dabei sind alleinlebende Männer und alleinerziehende Frauen überproportional häufig überschuldet. Fast jeder dritte Ratsuchende ist ein alleinlebender Mann, gut 13 Prozent sind alleinerziehende Frauen.

Im Jahr 2019 haben 28.249 Menschen die Schuldnerberatungsstellen in Anspruch genommen. Diese Zahl spiegelt die langfristigen Beratungen wider, Kurzberatungen wurden nicht erfasst. Daher ist die Zahl der Menschen, die von der Schuldnerberatung unterstützt werden, wesentlich höher.

„Wir erhalten mit dem Report ein repräsentatives Bild über die Lebenssituation von überschuldeten Menschen in Schleswig-Holstein“, sagt Alis Rohlf. „Der Report verdeutlicht eindrucksvoll, dass trotz guter Konjunktur und sinkender Arbeitslosenzahlen in dem Jahr vor Corona sich viele Menschen in einer prekären finanziellen Situation befanden. Corona hat diese Situation in 2020 deutlich verschärft.“

Der Report zeigt, dass auch eine fehlende Berufsausbildung ein großes Überschuldungsrisiko darstellt. 43 % der Ratsuchenden waren ohne Berufsausbildung, ein leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Dieser Befund ist alarmierend, denn eine fehlende Berufsausbildung bedingt fast immer eine prekäre Beschäftigung verbunden mit einem geringen Einkommen. „Mit Blick auf die Zukunft wird dieser Personenkreis keine ausreichende Altersversorgung aufbauen können. Altersarmut ist fast schon vorprogrammiert“, so Alis Rohlf weiter.

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der Ratsuchenden in Erwerbstätigkeit kontinuierlich gestiegen und hat im Jahr 2019 mit 38 % einen neuen Höchststand erreicht. Offenbar reicht das Einkommen für immer mehr erwerbstätige Menschen nicht aus, um die Ausgaben des Haushalts zu bestreiten. Die Koordinierungsstelle erwartet, dass sich dieser Anteil durch die Corona-Pandemie deutlich erhöhen wird.

Die Ratsuchenden der Schuldnerberatung leben zum großen Teil in Armut. Fast die Hälfte der beratenen Personen hat weniger als 900 € im Monat zum Leben. „Dieser Wert liegt deutlich unter der Armutsgrenze und macht die soziale Dimension von Überschuldung deutlich. Das verbreitete Vorurteil, die Betroffenen würden sich durch einen übermäßigen Konsum selbst in ihre Lage bringen, ist damit ein weiteres Mal wiederlegt“, betont Alis Rohlf.

Den überschuldeten Menschen rät Alis Rohlf: „Suchen Sie schnell eine Schuldnerberatung auf und holen Sie sich Hilfe! Unsere Beratungskräfte unterstützen Sie dabei, auch Ihre persönlichen, familiären und sozialen Verhältnisse zu stabilisieren. Die Beratungsstellen sind erreichbar, wenn auch durch die Corona-Pandemie eingeschränkt.“

In Schleswig-Holstein gibt es insgesamt 36 anerkannte und öffentlich geförderte Beratungsstellen. Sie werden je nach Aufgabenbereich vom Land oder den Kommunen finanziert und erhalten darüber hinaus Unterstützung vom Sparkassen- und Giroverband. Die Koordinierungsstelle mit Sitz in Rendsburg begleitet den landesweiten, trägerübergreifenden Qualitätsprozess, fördert die Schuldenprävention und ist für die Fortbildung verantwortlich.

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Koordinierungsstelle Schuldnerberatung in Schleswig-Holstein
Kanalufer 48, 24768 Rendsburg
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