Diakonie fordert auskömmliches Existenzminimum

Menschen in Armut sind am stärksten von Überschuldung betroffen. Das ist ein Ergebnis des aktuellen Schuldenreports, der von der Koordinierungsstelle Schuldnerberatung in Schleswig-Holstein jährlich herausgegeben wird. Demnach suchen immer mehr Menschen in Schleswig-Holstein Rat bei den Schuldnerberatungsstellen. Viele Betroffene kommen angesichts hoher Lebensmittelpreise und Mieten nicht mehr mit ihrem geringen Einkommen über die Runden. Landespastor und Diakonievorstand Heiko Naß:

„Der Schuldenreport zeigt mit aller Deutlichkeit: Ein immer größerer Teil unserer Gesellschaft hat monatlich nicht mehr genug Geld zum Leben. Eine Überschuldung ist da programmiert. Unter den Betroffenen sind viele, die täglich einer Arbeit nachgehen. Weil sie aber prekär beschäftigt sind, haben sie zu geringe Einkommen. Ein reiches Land wie Deutschland darf das nicht mehr länger so hinnehmen. Wir können es uns nicht leisten, dass ein Teil der Gesellschaft am Monatsende an existenziellen Dingen wie Heizen, Essen und Mobilität sparen muss. Als Diakonie setzen wir uns deshalb dafür ein, dass das gesetzlich festgelegte Existenzminimum neu berechnet und der Regelsatz für das Bürgergeld so ausgestaltet wird, dass die Bezieherinnen und Bezieher tatsächlich bis zum Monatsende davon leben können. Vor allem aber müssen im Niedriglohnsektor die Löhne so hoch sein, dass ein würdevolles Leben möglich ist.

Im Jahr 2022 haben sich laut Schuldenreport 29.819 Menschen in Schleswig-Holstein langfristig von einer Schuldnerberatungsstelle beraten lassen. Das ist im Vergleich zu 2021 ein sprunghafter Anstieg in Höhe von 13 Prozent. Die Zahl der zu Beratenden erreichte damit einen neuen Höchststand. Hinzu kommen 12.162 Kurzberatungen, zum Beispiel im Rahmen einer Krisenintervention. Auch hier kam es zu einem deutlichen Anstieg – um 30 Prozent im Vergleich zu 2021. Nach Rückmeldungen aus den Beratungsstellen geht die Koordinierungsstelle Schuldnerberatung in Schleswig-Holstein davon aus, dass sich dieser Trend 2023 weiter verstärkt hat.

Viele Menschen, die eine Schuldnerberatung in Anspruch nehmen, sind von Armut betroffen oder bedroht. 37 Prozent der Ratsuchenden haben laut Schuldenreport im Monat weniger als 900 Euro zum Leben. Dieser Wert liegt unter der offiziellen Armutsgefährdungsschwelle für alleinstehende Personen in Schleswig-Holstein in Höhe von 1.178 Euro pro Monat. Unter diesen Betroffenen sind zahlreiche Menschen im Niedriglohnsektor beschäftigt, sie leben also trotz Arbeit in Armut. Bei diesen Menschen schlagen die galoppierenden Preise für Lebensmittel besonders zu Buche. Hinzu kommen hohe Wohnkosten: Die Ratsuchenden wenden durchschnittlich 47 Prozent ihres monatlichen Haushaltseinkommens für Miete, Energie und Nebenkosten auf.

Der aktuelle Schuldenreport sowie die Ergebnisse der Befragung der Schuldnerberatungsstellen sind unter www.schuldnerberatung-sh.de zu finden.