Ohne zusätzliche Wohnungen und gute Beratung keine Perspektiven für Wohnungslose

Wohnungslosenberatung bei der Diakonie in Flensburg

Angesichts steigender Wohnungslosenzahlen fordert die Diakonie Schleswig-Holstein von Land und Kommunen deutlich mehr Anstrengungen beim Bau bezahlbarer Wohnungen. Außerdem müsse die Prävention und professionelle Wohnungslosenberatung flächendeckend gestärkt werden. Hintergrund ist die aktuelle Wohnungslosenhilfestatistik der Diakonie. Demnach ist die Zahl der Rat- und Hilfesuchenden bei der diakonischen Wohnungslosehilfe 2023 erneut angestiegen.

„Eigentlich soll die Wohnungslosigkeit in Deutschland bis 2030 überwunden werden. So will es die Bunderegierung in einem Aktionsplan festhalten“, sagt Landespastor und Diakonievorstand Heiko Naß. „Die Realität sieht bislang aber anders aus: In Schleswig-Holstein sind 2023 erneut mehr Menschen von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen gewesen als im Vorjahr. Gleichzeitig wird auch im Norden immer noch zu wenig bezahlbarer Wohnraum gebaut. Zwar hat die Landesregierung in den vergangenen Jahren mehr für den Wohnungsbau getan. Die Anstrengungen reichen aber keineswegs aus, zumal die zuständige Investitionsbank die Antragstellung auf Fördermittel jüngst gestoppt hat. Hier fordern wir dringend ein Umdenken!“

Im Jahr 2023 haben in Schleswig-Holstein 9.410 Menschen die Angebote der diakonischen ambulanten Wohnungslosenhilfe in Anspruch genommen, knapp 600 mehr als 2022. Das ist ein Plus von rund 7 Prozent. Brennpunkte sind weiter die großen Städte Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster. Aber auch der ländliche Raum ist betroffen, vor allem das Hamburger Umland und die Westküste.

Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen. Die diakonische Wohnungslosenhilfe ist zwar mit einem großen Angebot in fast allen Kreisen und kreisfreien Städten vertreten und kann daher mit ihren Zahlen gut einen Trend abbilden. Alle in Schleswig-Holstein von Wohnungslosigkeit betroffenen oder bedrohten Menschen werden durch die Statistik aber nicht erfasst.

Angesichts des Mangels an preisgünstigem Wohnraum kommt der Wohnungslosenberatung eine bedeutende Rolle zu. Steht eine Wohnungsräumung an, können Beraterinnen und Berater gemeinsam mit den Hilfesuchenden, Vermietern und anderen Beratungsangeboten, wie der Schuldnerberatung, Schritte unternehmen, die Räumung zu verhindern. Bei akuter Wohnungslosigkeit bietet die diakonische Wohnungslosenhilfe ein engmaschiges Netz von Tagestreffs, Notunterkünften und Beratungsstellen. Ziel der Beratungen ist dann, die Betroffenen aufzufangen, ihnen Notunterkünfte zu vermitteln, vor allem aber Perspektiven zu erarbeiten.

Dabei geraten die Einrichtungen immer mehr unter Druck, nicht nur auf Grund der hohen Zahl an Ratsuchenden. Auch leiden viele Betroffene vermehrt unter psychischen Auffälligkeiten oder Suchtkrankheiten, so dass die Wohnungslosenhilfe inhaltlich oft an ihre Grenzen stößt. Außerdem berichten Tagestreffs, Beratungsstellen und Notunterkünfte von zunehmender Gewalt unter den Klientinnen und Klienten sowie gegenüber den Mitarbeitenden.

„Wir müssen die Wohnungslosenberatung flächendeckend so gestalten, dass sie den neuen Herausforderungen gewachsen ist“, sagt Kathrin Kläschen, Referentin für Wohnungslosenhilfe beim Diakonischen Werk Schleswig-Holstein. „Dazu gehören multiprofessionelle Teams, geschlechterspezifische Angebote sowie Schutzräume für Frauen und Familien. Hier sollten einheitliche Standards gelten und langfristig und verlässlich finanziert werden, auch im ländlichen Raum. Gleiches gilt für die Notunterkünfte, die vielerorts keine menschenwürdige und sichere Unterbringung ermöglichen.“

Sebastian Rehbach, stellvertretender Geschäftsführer der stadt.mission.mensch in Kiel,  nimmt das gesamte Netz der sozialen Hilfen in den Blick: „Als Wohnungslosenhilfe sind wir auf die Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Suchthilfe, Psychiatrie, Pflege und Schuldnerberatung angewiesen. Dort gibt es angesichts von Fachkräftemangel und unzureichender Finanzierung oft keine freien Plätze, keine Termine oder lange Wartezeiten. Eine nachhaltige Unterstützung unserer Klientinnen und Klienten ist so nicht möglich. Das zeigt, das gesamte Hilfesystem ist auf Kante genäht und muss von Land und Kommunen endlich auskömmlich ausgestattet werden.“

Einen wesentlichen Beitrag, um Wohnungslosigkeit zu vermeiden, rechnet Vanessa Trampe Kieslich, Geschäftsbereichsleitung Soziale Hilfen bei der Diakonie Altholstein, der Prävention zu. „Wir müssen die Menschen begleiten, bevor Ihre Wohnung geräumt wird. Geht die Wohnung erst einmal verloren, ist es für die Betroffenen kaum mehr möglich, neuen Wohnraum zu finden. In Neumünster machen wir sehr gute Erfahrungen mit der Präventionsarbeit, auch in Zusammenarbeit mit Vermietern und der Stadt. Aus meiner Sicht wäre es dringend geboten, im ganzen Land die Prävention zu stärken. Dabei sollte diese Arbeit an die Beratungsstellen der Wohnungslosenhilfe gekoppelt werden, um eine nachhaltige Begleitung der Betroffenen zu ermöglichen.“

Die Diakonie ist der größte Anbieter im Bereich der Wohnungslosenhilfe in Schleswig-Holstein. In fast allen Städten und Kreisen hält der Wohlfahrtsverband Beratungsstellen, Tagestreffs und Notunterkünfte vor. Diese werden überwiegend von Kommunen und dem Land finanziert.