„Der Schuldenreport zeigt mit aller Deutlichkeit: Ein immer größerer Teil unserer Gesellschaft hat monatlich nicht mehr genug Geld zum Leben. Eine Überschuldung ist da programmiert. Unter den Betroffenen sind viele, die täglich einer Arbeit nachgehen. Weil sie aber prekär beschäftigt sind, haben sie zu geringe Einkommen. Ein reiches Land wie Deutschland darf das nicht mehr länger so hinnehmen. Wir können es uns nicht leisten, dass ein Teil der Gesellschaft am Monatsende an existenziellen Dingen wie Heizen, Essen und Mobilität sparen muss. Als Diakonie setzen wir uns deshalb dafür ein, dass das gesetzlich festgelegte Existenzminimum neu berechnet und der Regelsatz für das Bürgergeld so ausgestaltet wird, dass die Bezieherinnen und Bezieher tatsächlich bis zum Monatsende davon leben können. Vor allem aber müssen im Niedriglohnsektor die Löhne so hoch sein, dass ein würdevolles Leben möglich ist.
Im Jahr 2022 haben sich laut Schuldenreport 29.819 Menschen in Schleswig-Holstein langfristig von einer Schuldnerberatungsstelle beraten lassen. Das ist im Vergleich zu 2021 ein sprunghafter Anstieg in Höhe von 13 Prozent. Die Zahl der zu Beratenden erreichte damit einen neuen Höchststand. Hinzu kommen 12.162 Kurzberatungen, zum Beispiel im Rahmen einer Krisenintervention. Auch hier kam es zu einem deutlichen Anstieg – um 30 Prozent im Vergleich zu 2021. Nach Rückmeldungen aus den Beratungsstellen geht die Koordinierungsstelle Schuldnerberatung in Schleswig-Holstein davon aus, dass sich dieser Trend 2023 weiter verstärkt hat.
Viele Menschen, die eine Schuldnerberatung in Anspruch nehmen, sind von Armut betroffen oder bedroht. 37 Prozent der Ratsuchenden haben laut Schuldenreport im Monat weniger als 900 Euro zum Leben. Dieser Wert liegt unter der offiziellen Armutsgefährdungsschwelle für alleinstehende Personen in Schleswig-Holstein in Höhe von 1.178 Euro pro Monat. Unter diesen Betroffenen sind zahlreiche Menschen im Niedriglohnsektor beschäftigt, sie leben also trotz Arbeit in Armut. Bei diesen Menschen schlagen die galoppierenden Preise für Lebensmittel besonders zu Buche. Hinzu kommen hohe Wohnkosten: Die Ratsuchenden wenden durchschnittlich 47 Prozent ihres monatlichen Haushaltseinkommens für Miete, Energie und Nebenkosten auf.
Um auch künftig von Überschuldung bedrohten und betroffenen Menschen möglichst frühzei-tig angemessen helfen zu können, setzt sich die Diakonie für eine langfristig gesicherte, auskömmliche Finanzierung der Schuldnerberatungsstellen ein. Diese arbeiten schon seit Längerem am Limit. Während die Zahl der Ratsuchenden in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist, stagnierte das Beratungsangebot oder musste zum Teil auch zurückgefahren werden. Grund sind gestiegene Personal- und Betriebskosten, hinter denen die Finanzierung durch Land und Kommunen immer mehr zurückbleibt. Hier sieht die Diakonie ganz klar das Land und die Kommunen in der Pflicht.
In Schleswig-Holstein gibt es insgesamt 36 anerkannte und öffentlich geförderte Schuldnerberatungsstellen, davon 18 unter dem Dach der Diakonie. Sie werden je nach Aufgabenbereich vom Land oder den Kommunen finanziert und erhalten darüber hinaus Unterstützung vom Sparkassen- und Giroverband. Die Koordinierungsstelle mit Sitz in Rendsburg begleitet den landesweiten, trägerübergreifenden Qualitätsprozess, fördert die Schuldenprävention und ist für die Fortbildung verantwortlich.
Überschuldung ist meist mehr als ein finanzielles Problem. Sie bringt physische und psychische Belastungen mit sich, die von Stress, Versagensängsten, Depressionen bis zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schmerzzuständen reichen. Die Schuldnerberatungsstellen helfen Betroffenen, ihre Schulden zu regulieren. Darüber hinaus werden die persönlichen, familiären und sozialen Lebensumstände in den Blick genommen.
Der aktuelle Schuldenreport sowie die Ergebnisse der Befragung der Schuldnerberatungsstellen sind unter www.schuldnerberatung-sh.de zu finden.