Schuldenreport 2019 – hohes Armutsrisiko für Frauen

Frauen haben ein erhöhtes Risiko, sich zu überschulden. Das ist ein Ergebnis des aktuellen Schuldenreports der Koordinierungsstelle Schuldnerberatung, die unter dem Dach des Diakonischen Werkes Schleswig-Holstein arbeitet. Grund sind strukturelle Nachteile von Frauen im Berufsleben, in der Familie und bei der Rente. Insgesamt haben 2018 13.655 Frauen in Schleswig-Holstein eine Schuldnerberatung aufgesucht.

Von den Frauen, die eine Schuldnerberatung in Anspruch genommen haben, waren besonders viele alleinerziehend oder alleinlebend. Ihr Anteil lag 2018 bei 68 Prozent. „Diese Zahl gibt einen Hinweis darauf, dass diese auf sich gestellten Frauen besonders gefährdet sind, in Überschuldung zu geraten“, sagt Alis Rohlf, Leiterin der Koordinierungsstelle Schuldnerberatung. „Die Ursache hierfür liegt in einer strukturellen Benachteiligung und einem daraus folgenden hohen Armutsrisiko.“

Die Benachteiligungen fangen bei der Berufswahl an. Frauen entscheiden sich nach wie vor oft für eine Ausbildung in einem Dienstleistungsberuf, die vergleichsweise schlechter bezahlt sind. Mathematisch und naturwissenschaftlich orientierte Ausbildungen oder Studienfächer sind hingegen weniger gefragt. Hinzu kommt, dass in Schleswig-Holstein jede dritte erwerbstätige Frau in Teilzeit, Leiharbeit oder in einem Minijob beschäftigt ist und damit keine ausreichende Altersvorsorge und finanzielle Absicherung aufbauen kann.

Zum Armutsrisiko von Frauen trägt auch bei, dass in vielen Familien die Männer nach wie vor die Hauptverdiener sind. Im Fall einer Trennung oder Scheidung stehen die Frauen mit ihrem niedrigen Einkommen und den Kindern alleine da. Die Chancen den Verdienst aufzustocken sind dann oft gering. Zudem übernehmen Frauen überdurchschnittlich häufig die unbezahlte Versorgung pflegebedürftiger Angehöriger. Auch das führt zu Verdienstausfällen und letztlich zu einer mangelnden Altersvorsorge.

„Bei zusätzlichen Schicksalsschlägen, wie Krankheit oder Arbeitslosigkeit, ist eine Überschuldung in vielen Fällen kaum mehr zu vermeiden“, so Alis Rohlf. „Insofern setzen wir uns dafür ein, dass die strukturellen Armutsrisiken von Frauen Schritt für Schritt abgebaut werden. Dazu beitragen könnte u.a. ein weiterer Ausbau der Ganztagsbetreuung an den Kitas und Schulen auch im ländlichen Bereich, damit Frauen verstärkt in Vollzeit arbeiten können.“ 

Von über 200.000 Personen, die in Schleswig-Holstein als überschuldet gelten, haben im Jahr 2018 lediglich 28.383 Menschen eine Beratungsstelle aufgesucht. Das sind etwas mehr als 2017. Viele Menschen scheuen den Gang zur Beratung, weil sie sich für ihre Situation schämen. Die Daten basieren auf den Angaben aller anerkannten Beratungsstellen im Land für das Jahr 2018 und sind daher repräsentativ.

In Schleswig-Holstein gibt es insgesamt 36 anerkannte und öffentlich geförderte Beratungsstellen. Sie werden je nach Aufgabenbereich vom Land oder den Kommunen finanziert und erhalten darüber hinaus Unterstützung vom Sparkassen- und Giroverband. Die Koordinierungsstelle mit Sitz in Rendsburg begleitet den landesweiten, trägerübergreifenden Qualitätsprozess, fördert die Schuldenprävention und ist für die Fortbildung verantwortlich.

Angesichts der ganz unterschiedlichen Lebenslagen der Betroffenen geht die Arbeit der Beratungsstellen über die reine Schuldenregulierung hinaus. „Überschuldung ist mehr als nur ein materielles Problem. Sie hat gravierende Auswirkungen auf die Betroffenen und ihre Familien. Die Bedrohung der existentiellen Grundlage führt in die soziale Isolation und belastet erheblich die physische und psychische Gesundheit“, betont die Leiterin der Koordinierungsstelle Alis Rohlf. „Die Beraterinnen und Berater unterstützen die hilfesuchenden Menschen, ihre Lebensverhältnisse zu stabilisieren. Dazu gehört ganz wesentlich der Erhalt des Arbeitsplatzes.“

Hinzu kommt die präventive Arbeit der Beratungsstellen. Unter anderem werden Veranstaltungen zu den Themen Geld, Konsum und Schulden angeboten. Im Blickpunkt stehen dabei vor allem junge Erwachsene, die zunehmend auch von Überschuldung betroffen sind.