Zahl der Wohnungslosen erneut gestiegen. Diakonie für mehr Prävention

Die Diakonie Schleswig-Holstein fordert mehr Präventionsangebote für Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Die Betroffenen müssten flächendeckend Hilfe erhalten, bevor Ihre Wohnung geräumt werde, so der Wohlfahrtsverband. Hintergrund ist die aktuelle Wohnungslosenhilfestatistik. Demnach ist die Zahl der Rat- und Hilfesuchenden bei der diakonischen Wohnungslosehilfe in Schleswig-Holstein erneut angestiegen.

Aktuelle Wohnungslosenhilfestatistik

Im Jahr 2024 haben in Schleswig-Holstein knapp 10.300 Menschen inklusive Familienmitglieder die Angebote der diakonischen ambulanten Wohnungslosenhilfe in Anspruch genommen, rund 900 mehr als 2023. Dabei handelt es sich um Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen sind. Brennpunkte bleiben die großen Städte Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster. Aber auch im ländlichen Raum ist Wohnungslosigkeit ein Thema, vor allem im Hamburger Umland und an der Westküste.

Wohnungslosenhilfestatistik der Diakonie Schleswig-Holstein

Die Diakonie geht davon aus, dass die Zahl der Betroffenen wesentlich höher liegt. Einen Hinweis hierfür gibt eine Stichtagserhebung des Statistischen Bundesamts: In der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar 2024 waren in Schleswig-Holstein rund 28.000 Menschen in einer Notunterkunft untergebracht.

Mehr Wohnraum und Prävention!

„Menschen haben kein eigenes zu Hause, weil sie sich die hohen Mieten nicht mehr leisten können und weil es an bezahlbaren Wohnraum fehlt“, sagt Landespastor und Diakonievorstand Heiko Naß. „Und es wird immer schlimmer! Besonders bedrückend ist, dass zunehmend auch Familien ihre Wohnungen räumen müssen. Deshalb fordern wir Bund, Land und Kommunen erneut auf, endlich mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und Armut wirksam zu bekämpfen. Als Sofortmaßnahme sollten in ganz Schleswig-Holstein niedrigschwellige Präventionsangebote geschaffen werden. Wir müssen die Menschen begleiten, bevor Ihre Wohnung geräumt wird. Geht die Wohnung erst einmal verloren, ist es für die Betroffenen kaum mehr möglich, neuen Wohnraum zu finden.“

Die Präventionsarbeit ist in Schleswig-Holstein bislang je nach Kommune unterschiedlich organisiert und ausgeprägt. Teilweise übernimmt die Wohlfahrt diese Arbeit, teilweise kommunale Behörden. Nicht immer wird der Prävention große Bedeutung zugemessen. Zudem wissen Betroffene auf Grund unterschiedlicher Strukturen oft nicht, an wen sie sich im Falle einer Räumungsklage wenden sollen.

Niedrigschwellige Beratungsangebote und Informationsaustausch

Aus Sicht der Diakonie ist es sinnvoll, die Prävention an bestehende Beratungsangebote der Wohnungslosenhilfe zu koppeln. Diese werden von Betroffenen meist als niedrigschwelliger wahr- und besser angenommen. Zudem können die Angebote eine längerfristige und nachhaltige Begleitung der von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen sicherstellen, um erneute Mietschulden zu vermeiden. Dabei besteht auch die Möglichkeit, auf die Expertise anderer Beratungsstellen, zum Beispiel der Schuldner-, Lebens- und Sozialberatung, zurückzugreifen.

Darüber hinaus sollte überall der Informationsaustausch zwischen Beratungsstellen, Gerichten, Kommunen und Vermietern verbessert werden. Umso schneller die Wohnungslosenhilfe über Mietrückstände und bevorstehende Räumungsklagen Bescheid wisse, umso wirkungsvoller könnten Kündigungen vermieden werden, so der Wohlfahrtsverband. Dabei müssten neben Kündigungen wegen Mietschulden auch Kündigungen wegen Eigenbedarfs oder mietwidrigen Verhaltens in den Blick genommen werden. Hier sei der Gesetzgeber gefragt   

Best Practice-Beispiele

Ein gutes Beispiel ist die Präventionsarbeit in Pinneberg. Dort bietet das Diakonische Werk Hamburg West/Südholstein im Auftrag der Stadt die Soziale Wohnraumhilfe an, deren Anspruch es ist, von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen zu erreichen, bevor ihr zu Hause geräumt wird. Dazu werden niedrigschwellig Beratungen zu Mietschulden, anstehenden Räumungsklagen, aber auch Strom- oder Energieschulden angeboten. Zudem funktioniert der Informationsaustausch zwischen Gerichten, Kommune und Beratungsstelle zu Räumungsklagen wegen Mietschulden. Dadurch lassen sich Zwangsräumungen oft verhindern.

Ebenso gute Erfahrungen mit einer funktionierenden Präventionsarbeit macht die Diakonie Altholstein in Neumünster. Nach Absprache mit der Stadt wird die Zentrale Beratungsstelle für Menschen in Wohnungsnot direkt vom zuständigen Amtsgericht über anstehende Räumungsklagen informiert. Auf diese Weise konnten in den vergangenen Jahren durchschnittlich 90 Prozent der Zwangsräumungen wegen Mietrückständen vermieden werden. Kommt es dennoch dazu, sind Beratende der Diakonie mit vor Ort und können immer wieder dazu beitragen, in letzter Minute eine Zwangsräumung abzuwenden. Zudem gibt es in Neumünster einen Beirat aus Vertreterinnen und Vertretern der Diakonie, des Jobcenters, der Kommune und der Justizvollzugsanstalt, die regelmäßig über die Lage und mögliche Fälle beraten.

Die Diakonie ist der größte Anbieter im Bereich der Wohnungslosenhilfe in Schleswig-Holstein. In zahlreichen Städten und Kreisen hält der Wohlfahrtsverband Beratungsstellen, Tagestreffs und Notunterkünfte vor. Diese werden überwiegend von Kommunen und dem Land finanziert.