Dramatischer Fachkräftemangel in Erziehungsberufen: Diakonie fordert konkurrenzfähige Ausbildung

Die Diakonie Schleswig-Holstein und der Verband Evangelischer Kindertageseinrichtungen in Schleswig-Holstein e.V. (VEK) fordern attraktivere Ausbildungsbedingungen für Erzieher und Heilerziehungspflegerinnen. Dazu gehören eine bessere Anbindung an Praxis und Betriebe sowie eine einheitliche Vergütung in Höhe von 1.000 Euro, um konkurrenzfähig bleiben zu können. Beides müsse von der öffentlichen Hand refinanziert werden. Hintergrund ist der zunehmende Fachkräftemangel in den Kitas, der Kinder- und Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe. Deshalb wird dringend ein stetiger Nachwuchs an Fachkräften benötigt.

„Damit wir in der frühkindlichen Bildung sowie in der Begleitung von jungen Menschen in schwierigen Lebenslagen eine hohe Qualität gewährleisten können, benötigen wir ausreichend gut ausgebildete und motivierte Erzieherinnen und Heilerziehungspfleger“, sagt Landespastor und Diakonie-Vorstand Heiko Naß. „Doch schon heute beklagen viele Kitas und Wohngruppen in der Kinder- und Jugendhilfe über einen Mangel an Fachkräften, ein Trend der sich weiter verschärfen wird. Wenn wir nicht gegensteuern, besteht die Gefahr, dass Einrichtungen schließen müssen. Um möglichst viele junge Menschen für dieses Berufsfeld gewinnen zu können, muss die Ausbildung so gestaltet werden, dass sie im Wettbewerb mit anderen Berufsfeldern bestehen kann.“

Laut Agentur für Arbeit sind aktuell 850 Stellen in Schleswig-Holsteins Kitas unbesetzt. Die Situation dürfte sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen: Dann gehen viele Mitarbeitende der Babyboomer-Generation in den Ruhestand. Außerdem sollen Kitas und Ganztagsschulangebote ausgebaut werden. Eine ähnliche Entwicklung ist in der Kinder- und Jugendhilfe zu beobachten. Dort kommt hinzu, dass der Fachkräfteschlüssel aus Sicht der Diakonie dringend aufgestockt werden muss. Gleichzeitig gehen die Ausbildungszahlen für Erziehende an den Fachschulen in Schleswig-Holstein zurück. Im Schuljahr 2019/2020 waren es 1.706, im Schuljahr 2020/2021 nur noch 1.473. Das ergaben kleine Anfragen im Schleswig-Holsteinischen Landtag.

Bislang werden Erzieher sowie Heilerziehungspflegerinnen in Schleswig-Holstein in Vollzeit an Fachschulen ausgebildet. In dem dreijährigen Ausbildungsgang gibt es jeweils mehrere, individuell vereinbarte Praxisphasen in verschiedenen Kitas oder Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen. Eine Ausbildungsvergütung existiert nicht. Einziger Weg für Auszubildende ist ein Antrag auf Aufstiegs-BAFÖG. Träger von Einrichtungen können sich eine zusätzliche Vergütung nicht leisten, da diese nicht von der öffentlichen Hand refinanziert wird. Lediglich für die sogenannte Praxisorientierte Ausbildung zum Erzieher (PiA) gibt es immer wieder befristete Förderprogramme, die dann eine Ausbildungsvergütung von über 1.000 Euro im Monat ermöglichen.

„Diese Ausbildungsstruktur ist sowohl für die Auszubildenden als auch die Kitas und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe wenig attraktiv“, sagt Lutz Regenberg, Geschäftsbereichsleiter Kinder- und Jugendhilfe bei der Vorwerker Diakonie in Lübeck. „Im Vergleich zu anderen Berufsausbildungen besteht keine enge Bindung an einen Ausbildungsbetrieb. Und: Auch angesichts der fehlenden Ausbildungsvergütung entscheiden sich junge Menschen immer wieder gegen das Berufsfeld des Erziehers oder der Heilerziehungspflegerin.“

Die Diakonie und der VEK setzen sich daher für eine Ausbildung ein, bei der das Fachschulstudium eng mit den Praxiszeiten in einem festen Ausbildungsbetrieb verknüpft ist. Dazu sollte den Auszubildenden die Arbeit in unterschiedlichen Beschäftigungsfeldern möglich sein. Damit könnten die Betriebe den künftigen Erzieherinnen und Heilerziehungspflegern bereits während der Ausbildung eine berufliche Perspektive bieten und sie langfristig an sich binden. Darüber hinaus bedarf es einer attraktiven Ausbildungsvergütung in Höhe von 1.000 Euro. Da gemeinnützige Einrichtungen im Gegensatz zur freien Wirtschaft die Kosten für die Praxisanleitung und die Vergütung nicht erwirtschaften können, muss beides von der öffentlichen Hand finanziert werden.

„Wir brauchen in den Kitas und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe dauerhaft mindestens so viele konkurrenzfähige Ausbildungsstellen, dass wir die Abgänge von Fachkräften in den Ruhestand kompensieren können“, betont Markus Potten, Geschäftsführer des VEK. „Dafür benötigen wir eine attraktive Ausbildung, aber auch verbesserte Rahmenbedingungen, um Erzieherinnen und Erziehern langfristig ein ebenso attraktives Arbeitsfeld eröffnen zu können. Der Start einer breit angelegten Fachkräfteoffensive für Schleswig-Holstein ist längst überfällig.“

Neben der Frage der Ausbildungsstruktur spielen schließlich auch weitere Faktoren eine wichtige Rolle, um den Beruf des Erziehers und der Heilerziehungspflegerin möglichst attraktiv zu gestalten. Diese müssen so gestaltet sein, dass Fachkräfte den Beruf nicht nach wenigen Jahren schon wieder verlassen. Das hat etwas mit der Bezahlung zu tun, aber auch mit Gruppengrößen und Personalschlüsseln.

Unter dem Dach von Diakonie und Kirche gibt es in Schleswig-Holstein aktuell 576 Kitas, in denen rund 39.000 Kinder betreut werden. Die stationäre diakonische Kinder- und Jugendhilfe betreut rund 1.800 junge Menschen. Dazu kommen teilstationäre und ambulante Angebote sowie zahlreiche Beratungsstellen.

Neben der Kinder- und Jugendhilfe engagiert sich die Diakonie in der Altenhilfe, sie unterstützt Familien, Menschen mit Behinderung, Kranke, Menschen in Notlagen sowie Migrantinnen und Migranten. In unseren 1.700 Einrichtungen und Angeboten arbeiten rund 30.000 Beschäftigte. Unter #WIRKLICHMACHEN wirbt die Diakonie für den Wert sozialer Arbeit und neue Mitarbeitende. Mehr Informationen dazu unter www.jobsmitwert.de.