Internationaler Tag der Pflege: Reformen jetzt!

Die Diakonie Schleswig-Holstein fordert von der neuen Bundesregierung eine schnelle und nachhaltige Pflegereform. Angesichts des demografischen Wandels und des Arbeitskräftemangels stießen die Einrichtungen der ambulanten und stationäre Pflege sowie die vielen pflegenden Angehörigen zunehmend an ihre Grenzen, so der Wohlfahrtsverband. Wenn wir als Gesellschaft auch künftig eine menschenwürdige Pflege garantieren wollten, sollte endlich gehandelt werden. Anlass ist der Internationale Tags der Pflege am 12. Mai. Aus Sicht der Diakonie müssen die stationären und ambulanten Angebote angemessen finanziert, die Mitarbeitenden von Bürokratie entlastet und die pflegenden Angehörigen besser abgesichert werden.

„Die Mitarbeitenden in unseren Pflegeeinrichtungen wachsen jeden Tag über sich hinaus“, so Diakonievorstand und Landespastor Heiko Naß. „Obwohl es an Arbeitskräften fehlt, die Arbeit sehr eng getaktet ist und die überbordende Pflegedokumentation viel Zeit frisst, gelingt es ihnen, dass Pflegebedürftige gut versorgt und würdig behandelt werden. Dies gilt genauso für die vielen pflegenden Angehörigen. Dieses Engagement können wir nicht genug würdigen. Wir dürfen aber den Bogen nicht überspannen! Die Rahmenbedingungen müssen endlich so gestaltet werden, dass der Pflegeberuf attraktiv bleibt, die Angehörigen von Pflegebedürftigen entlastet und die Versorgung auch künftig gesichert werden kann.“

Situation der Pflege in Schleswig-Holstein

Laut Statistischem Bundesamt wird allein in Schleswig-Holstein die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2035 im Vergleich zu 2021 um knapp 18 Prozent auf 187.000 steigen. Gleichzeitig rechnet eine Studie der Bertelsmann-Stiftung damit, dass bis 2030 im nördlichsten Bundesland 15.000 Vollzeit-Pflegekräfte fehlen. Bereits heute kann ein Teil der stationären Pflegeeinrichtungen beim Personalbestand die gesetzlich vorgeschriebene Untergrenze nicht mehr einhalten. Deshalb sehen sich Träger gezwungen, Angebote einzuschränken. Nicht besser ist die Situation in der ambulanten Pflege, besonders im ländlichen Raum. Pflegebedürftige in entlegenen Gebieten können auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht immer angefahren werden; die Versorgung von Neukunden ist eine Riesenherausforderung. Hinzu kommen die stetig steigenden Kosten, die die Pflegebedürftigen mit immer höheren Eigenbeteiligungen tragen müssen.

Was wir konkret fordern:

Die Pflegeversicherung muss von einer Teilkasko- in eine Vollversicherung umgewandelt werden. Diese würde die Kosten aller pflegebedingten Aufgaben übernehmen. Die pflegebedürftigen Menschen müssten dann nur eine vom Gesetzgeber fixierte Eigenbeteiligung übernehmen. Außerdem sollte die Pflegeversicherung von versicherungsfremden Leistungen entlastet werden. Dazu gehören Aufwendungen in Milliardenhöhe aus der Zeit der Corona-Pandemie.

Die überbordende Bürokratie und die ordnungsrechtlich kleinteiligen Prüfungen der Einrichtungen müssen verringert werden. Studien zeigen, dass in stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen viel Zeit mit Dokumentationen und behördlichen Prüfungen verbracht wird. Neben einem maßvollen Abbau der Vorgaben könnte hier die Digitalisierung helfen. Die Einrichtungen sollten bei den Investitionen und Schulungen in diesem Bereich gefördert werden.

Die ambulante Pflege muss vor allem im ländlichen Raum entlastet werden. Dazu könnte die flächendeckende Einführung von Gemeindeschwestern bzw. Dorfkümmerern beitragen. Diese sollten frühzeitig Menschen im Alter und ihre Angehörigen zum Beispiel über Pflegeangebote, finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten und nötige Umbauarbeiten in den Wohnungen und Häusern beraten und wenn nötig das Zusammenspiel von Pflegeanbietern und Familien koordinieren. Darüber hinaus sollten ehrenamtliche und professionelle Strukturen in den Dörfern besser vernetzt werden.

Die pflegenden Angehörigen müssen stärker unterstützt werden. Ihr hoher Einsatz hat oft persönliche Konsequenzen etwa für das Einkommen oder die Altersabsicherung. Wer die Hauptverantwortung für die Pflege eines nahen Menschen übernimmt, muss für seinen Einsatz anteilig entlohnt und bei der Rentenversicherung angemessen berücksichtigt werden. Außerdem sollten pflegende Angehörige flächendeckend Beratung, Pflegekurse und individuelle Anleitungen erhalten.

Unter dem Dach der Diakonie gibt es in Schleswig-Holstein 69 stationäre und 50 teilstationäre Pflegeeinrichtungen. Hinzu kommen rund 80 ambulante Pflegedienste und Sozialstationen.