Zukunft der Kinder- und Jugendhilfe - Verbände und Träger gründen Aktionsbündnis

Die stationäre Kinder- und Jugendhilfe in Schleswig-Holstein ist in ihrem Bestand gefährdet. Grund ist die mangelnde finanzielle und personelle Ausstattung der Einrichtungen. So lautet die Bewertung der führenden sozialen Betreuungseinrichtungen im nördlichsten Bundesland. Deshalb haben diese das landesweite „Aktionsbündnis Kindeswohl in Schleswig-Holstein“ gegründet und heute im Landesjugendhilfeausschuss in Kiel vorgestellt. Mit dabei sind das Diakonische Werk Schleswig-Holstein und mehrere diakonische Träger.

„Die Art und Weise, wie wir junge Menschen stationär zum Beispiel in Wohngruppen versorgen müssen, ist prekär und nicht mehr angemessen“, sagt Phillip Diestel, Referent für Kinder- und Jugendhilfe beim Diakonischen Werk Schleswig-Holstein. „Seit Jahren weisen wir darauf hin. Wir sind im Interesse der Kinder, Jugendlichen und Mitarbeitenden in den Einrichtungen nun nicht länger bereit, den Missstand hinzunehmen. Wir haben uns deshalb zum ‚Aktionsbündnis Kindeswohl in Schleswig-Holstein‘ zusammengeschlossen. Unsere gemeinsame Sorge: Die stationäre Kinder- und Jugendhilfe verschwindet mittelfristig, wenn der finanzielle und personelle Rahmen nicht verändert wird. Immer weniger Fachkräfte sind bereit, unter den bestehenden Bedingungen zu arbeiten.“

Das Aktionsbündnis verweist vor allem auf den vom Kostenträger vorgegebenen schlechten Personalschlüssel in den Wohngruppen. „In den Einrichtungen arbeiten viele engagierte Fachkräfte, die mit viel Herzblut die ihnen anvertrauten jungen Menschen begleiten“, so Diestel. „Sie stoßen aber zunehmend an ihre Grenzen: Eine Fachkraft betreut zeitgleich bis zu zehn Kinder und Jugendliche. Sie ist damit auch in schwierigen Situationen, die in unseren Hilfen alles andere als selten sind, allein im Dienst. Das führt immer wieder zu Überforderungen. Unsere Mitarbeitenden fühlen sich kaum wirksam.“ Hintergrund ist, dass die finanziellen und personellen Rahmenbedingungen der stationären Jugendhilfe in den 80er Jahren festgelegt worden sind und so weitegehend bis heute gelten. „Aber natürlich haben sich seither die Ansprüche an die Kinder- und Jugendhilfe (s. KJSG) sowie die Bedarfe und die Lebensrealitäten der Kinder und Jugendlichen und Mitarbeitenden verändert“, so Diestel weiter. „Das passt nicht mehr zusammen.“

Das Aktionsbündnis Kindeswohl in Schleswig-Holstein setzt sich insgesamt für folgende Maßnahmen zur Verbesserung der Lage in der stationären Kinder- und Jugendhilfe ein:

Doppeldienste: In den Kernarbeitszeiten sollten zwei Mitarbeitende pro Wohngruppe zur Verfügung stehen.

Vollzeitstellen: In jeder Einrichtung werden mindestens sieben Fach- und Betreuungskräfte (Vollzeitäquivalente) benötigt.

Vergütung: Wir fordern zehn Prozent mehr Gehalt für die Tag und Nacht arbeitenden Fach- und Betreuungskräfte.

Wirtschaftlichkeit: Die Auslastungsquote muss bei 90 Prozent verbindlich festgelegt werden, um Betriebsrisiken zu minimieren.

Der Zusammenschluss von führenden Akteuren der stationären Kinder- und Jugendhilfe ist in dieser Form bundesweit einmalig. Zusammengefunden haben sich im Aktionsbündnis Kindeswohl:

  • Arbeiterwohlfahrt Schleswig-Holstein,
  • Caritas im Norden,
  • Diakonie Nord Nord Ost,
  • Diakonisches Werk Husum,
  • Diakonisches Werk Schleswig-Holstein,
  • Elisabethheim Havetoft,
  • Internationaler Bund,
  • Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege in Schleswig-Holstein,
  • Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie,
  • Paritätischer Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein und der
  • Verbund für Kinder-, Jugend- und Soziale Hilfen.