Corona-Krise – Ursachen für Überschuldung werden sichtbarer

In den vergangenen Monaten ist die Zahl der Ratsuchenden in den Schuldnerberatungsstellen in Schleswig-Holstein gestiegen. Betroffen sind vor allem Menschen mit prekären Arbeitsverhältnissen. Die Koordinierungsstelle Schuldnerberatung in Schleswig-Holstein geht davon aus, dass verursacht durch die Corona-Krise die Zahl der überschuldeten Haushalte im Laufe des Jahres weiter zunehmen wird. Unter dem Motto „Der Mensch hinter den Schulden“ informieren von heute an bundesweit Beratungsstellen im Rahmen der Aktionswoche Schuldnerberatung über ihre Arbeit.

„Jetzt ist das eingetreten, was wir schon länger befürchtet haben“, sagt Martin Buhmann-Küllig von der Koordinierungsstelle Schuldnerberatung in Schleswig-Holstein. „Zahlreiche Menschen, die in der Pandemie Einkommenseinbrüche durch Jobverlust oder Kurzarbeit erlitten haben, haben noch lange versucht durchzuhalten und selbständig mit ihrer prekären finanziellen Lage zurechtzukommen. Nun ist bei vielen die Grenze erreicht und sie nehmen den Kontakt zu unseren Beratungsstellen auf. Wir können allen, die in einer ähnlichen Situation sind, nur raten, frühzeitig professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.“

In den vergangenen Wochen melden fast alle der 36 anerkannten Schuldnerberatungsstellen in Schleswig-Holstein eine gestiegene Nachfrage. Während die Anfragen für Schuldnerberatungen in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr weitgehend stabil waren, steigen sie nun kontinuierlich an. Die Corona-Krise befördert die Hauptursachen für eine Überschuldung wie Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Trennung. Viele der aktuell Ratsuchenden haben im vergangenen Jahr einen Mini- oder Teilzeitjob zum Beispiel in der Gastronomie verloren oder hatten als Soloselbständige keine Aufträge mehr. In der Folge gingen die oft ohnehin geringen Einkünfte weiter zurück, das Ersparte war schnell aufgezehrt, Kredite, Ratenzahlungen oder Mieten können nun nicht mehr beglichen werden.

„Die Pandemie deckt strukturelle Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft auf, die es vorher schon gab“, ist Martin Buhmann-Küllig überzeugt. „Denn Überschuldung ist in den meisten Fällen kein selbstverschuldetes Problem, sondern wird neben Krankheit und Trennung durch äußere Gegebenheiten wie Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse verursacht. Durch die Corona-Krise haben sich diese Ungerechtigkeiten weiter verschärft.“ Vor diesem Hintergrund unterstützt die Koordinierungsstelle Schuldnerberatung Forderungen nach Anhebung der Hartz-IV-Sätze, einem höheren Mindestlohn sowie Konzepte, die das Existenzminimum aller Kinder sichern.

Die Schuldnerberatungsstellen helfen Betroffenen, ihre Schulden zu regulieren. Darüber hinaus werden die persönlichen, familiären und sozialen Lebensumstände in den Blick genommen. Denn Überschuldung ist meist mehr als ein finanzielles Problem. Sie bringt physische und psychische Belastungen mit sich, die von Stress, Versagensängsten, Depressionen bis zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schmerzzuständen reichen. In Schleswig-Holstein gibt es insgesamt 36 anerkannte und öffentlich geförderte Schuldnerberatungsstellen.

Während der Aktionswoche Schuldnerberatung wollen die Beratungsstellen auch in Schleswig-Holstein über ihre Arbeit informieren. Mehr Informationen